Mitstörerhaftung bei Mehrwertdiensten

1. Mitstörerhaftung allgemein:

Da die eigentlichen Rechteverletzer oftmals nicht identifizierbar oder greifbar sind, nimmt die Rechtsprechung zunehmend eine Mitstörerhaftung eines beteiligten Dritten an. Dabei verschwimmen häufig die einzelnen Grenzen und die exakten rechtlichen Voraussetzungen.

Allgemein formuliert haftet ein Dritter immer dann mit für die rechtswidrige Handlung einer anderen Person (= sog. Mitstörerhaftung), wenn der Dritte die tatsächliche Möglichkeit hatte, die Rechtsverletzung zu verhindern (z.B. Überlassen eines Fax-Gerätes). Die Mitstörerhaftung ist verschuldenslos, d.h. es bedarf keiner Fahrlässigkeit des Dritten. Auch braucht der Dritte nach ständiger Rechtsprechung keine Kenntnis von den rechtswidrigen Handlungen zu haben.

Letzteres gilt für den Bereich der Neuen Medien aber nur eingeschränkt, da hier z.T. spezielle Gesetze (Teledienstegesetz, Telekommunikationsverordnung) etwas anderes vorschreiben.

2. Mitstörerhaftung bei Dialer-Fällen:

Die Rechtsprechung vertritt hier eine sehr weitgehende Mithaftung.

Das LG Köln (Urt. v. 03.07.2003 - Az.: 31 O 287/03) hat entschieden, dass dem Netzbetreiber für ein unlauteres Handeln, das über seine Mehrwertdienste-Rufnummern erfolgt, mitverantwortlich ist, soweit ihm rechtlich die Verhinderung möglich ist. Im Falle von unbemerkt installierenden Dialern ist der Netzbetreiber zur Sperrung der betreffenden Rufnummern verpflichtet.

Diese Ansicht hat das LG Köln (Beschl. v. 20.06.2003 - Az.: 31 O 389/03) auch in einer weiteren Entscheidung bekräftigt:

3. Mitstörerhaftung bei Fax-Spamming:

Für die Netz-Betreiber gibt es eine gesetzliche Normierung der Mitstörerhaftung in § 13 a TKV. Danach haften sie, wenn sie "gesicherte Kenntnis" von der Spam-Handlung haben. Umstritten ist, was unter diesem Begriff zu verstehen ist. Vgl. dazu den umfassenden Aufsatz von RA Dr. Bahr: Mitstörerhaftung der Netz-Provider: Reichtweite und Bedeutung von § 13 a TKV.

Das OLG Köln (Urt. v. 05.03.2004 - Az.: 6 U 141/03) ist der Ansicht, die bloße Mitteilung über eine unverlangte Faxzusendung reiche regelmäßig nicht aus, um beim Netzbetreiber die erforderlich gesicherte Kenntnis von der missbräuchlichen Verwendung der Rufnummer hevorzurufen. Dies gelte auch dann gelten, wenn es sich bei dem Mitteilenden um eine Verbraucherzentrale handelt. Eine solche Mitteilung begründe höchstens eine "einfache Kenntnis" und könne daher nicht mit der "gesicherten Kenntnis" iSd. § 13a TKV gleichgesetzt werden. Siehe hierzu auch die Entscheidung des AG Homburg (Urt. v. 23.07.2003 - Az.: 2 C 3419/02).

Vor Inkrafttreten des § 13 a TKV (August 2002) bejahte das AG Nidda (Urt. v. 11.01.2002 – Az.: 1 C 376/01) eine Haftung. Vgl. hierzu auch die kritische Anmerkung von RA Dr. Bahr. Das LG Gießen (Urt. v. 26.04.2002 – Az.: 3 O 22/02) vertrat die genau entgegengesetzte Position. Inzwischen haben sich die Parteien im Falle des LG Gießen in der 2. Instanz vor dem OLG Frankfurt (Beschl. v. 12. Juni 2003 - Az: 6 U 87/02) geeinigt. Der Beschluss enthält im Rahmen der Kostenentscheidung umfangreiche und interessante Erwägungen zu den materiell-rechtlichen Problemen, vgl. die Kanzlei-Info v. 24.08.2003.

Nach Ansicht des OLG Karlsruhe (Urt. v. 08.05.2002 - Az.: 6 U 197/01) haftet ein Access-Providers für Faxwerbung via Internet grundsätzlich wegen der TDG-Privilegierung nicht.

Nach Inkraftreten des § 13 a TKV (August 2002) beschäftigte sich das LG Hamburg (Urt. v. 14.01.2003 – Az.: 312 O 443/02) erstmals mit der neuen Regelung. In einer weiteren Entscheidung (LG Hamburg, Urt. v. 13.05.2003 - Az.: 312 O 165/03) stützte sich das Gericht vor allem auf wettbewerbsrechtliche Gründe und nur am Rande auf § 13 a TKV.

Es folgten zahlreiche haftungsbejahende Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz, deren endgültige Rechtskraft überwiegend noch aussteht. Das LG Wuppertal (Urt. v. 25.3.2003 - Az.: 1 O 539/02) verneinte die Mitstörerhaftung (vgl. dazu auch die Kanzlei-Info v. 20.07.2003).

Das AG Hamburg St. Georg ist der kritikbedürftigen Ansicht, § 13a TKV gelte nicht für Werbeanrufe, weil die Norm lediglich stoffliche bzw. im Falle des Spams sich am Bildschirm materialisierende Nachrichten umfasse, vgl. die Kanzlei-Info v. 08.03.2004.