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Mehrwertdienste und Telefonsex
Der BGH (Urt. v. 22.11.2001 - Az.: III ZR 5/01) hatte Ende 2001 grundlegend zu dem Problem Stellung zu nehmen, ob die Vermittlung von Telefonsex im Verhältnis zwischen Netzbetreiber und Kunden sittenwidrig ist und den Kunden damit keine Zahlungspflicht trifft.
1. Der zugrundeliegende Sachverhalt:
Die Beklagte unterhielt mit dem Kläger, einem Mobilfunkunternehmen, einen Handy-Vertrag. Der Vater der Beklagten wählte über diesen Anschluss zahlreiche 0190-Nummern an, u.a. auch solche, bei denen Telefonsex angeboten wurde. Es fielen Gesprächsentgelte von über 10.000,- € an. Der Kläger verlangte die Begleichung der Rechnung. Die Beklagte wandte ein, Verträge mit Telefonsex-Anbietern seien sittenwidrig und die daraus entstandenen Forderungen müssten daher nicht bezahlt werden.
2. Die Entscheidung:
Der BGH hat im vorliegenden Fall die Sittenwidrigkeit verneint und die Beklagte zur Zahlung der Telefonentgelte verurteilt.
a) Bisherige Rechtsprechung
Das Urteil überrascht auf den ersten Blick. Denn erst im Jahre 1998 hatte das gleiche Gericht in der Telefonsexkarten-Entscheidung (Urt. v. 09.06.98 - Az.: XI ZR 192/97) Leistungen, die in Zusammenhang mit Telefonsex stehen, für sittenwidrig erklärt. Der Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass gegen Entgelt Telefonkarten verkauft wurden. Mit diesen Telefonkarten konnten bestimmte Dienstleistungen (Sex-Gespräche mit Mitarbeiterinnen, Anhören von bestimmten erotischen Erzählungen) abgerufen werden.
Die höchsten deutschen Zivilrichter entschieden damals, dass derartige Verträge unter § 138 Abs. 1 BGB fallen würden und sittenwidrig seien. Dies wurde vor allem damit begründet, dass die jeweiligen Mitarbeiterinnen des Anbieters als Person zum Objekt herabgewürdigt und zugleich der Intimbereich zur Ware gemacht werde. Diese Entscheidung war zwar nicht unumstritten, dennoch war die damalige Aussage der Richter klar und eindeutig.
Unter Beachtung dieser Rechtsprechung nahmen in der Folgezeit auch weitere Gerichte die Sittenwidrigkeit solcher Verträge zwischen Netzbetreiber und Kunden an.
b) Das aktuelle Urteil
Umso mehr überrascht die Entscheidung des BGH, dass Verträge zwischen Netzbetreiber und Kunden, die sich auf die Vermittlung zu 0190-Nummern beziehen, nicht sittenwidrig sein sollen. Damit beruft sich das Gericht auf seine bisherige Rechtsprechung, dass in solchen Fällen lediglich die "Hauptgeschäfte" sittenwidrig sind. Bloße untergeordnete "Hilfsgeschäfte", die nur einen entfernten Zusammenhang mit dem Unrecht aufweisen, sollen dagegen sittengemäß sein. Derartige wirksame "Hilfsgeschäfte" hat der BGH z.B. bei einem Bierlieferungsvertrag für ein Bordell, beim Mietvertrag mit einer Prostituierten und bei einer BGB-Gesellschaft über den Betrieb eines Bordells angenommen. Die Finanzierung eines Bordells dagegen soll einen unmittelbaren Zusammenhang aufweisen und daher sittenwidrig sein.
In den Entscheidungsgründen erklären die Richter, dass das Herstellen und Aufrechterhalten der Telefonverbindung durch den Netzbetreiber wertneutral ist. Denn dieser hat keinen Einfluss darauf, welche Teilnehmer zu welchen Zwecken in telefonischen Kontakt treten.
Dabei wird bei der Einordnung der Leistung als bloßes "Nebengeschäft" maßgeblich auf die besondere Natur des Telefondienstvertrages und den dieses Vertragsverhältnis ausformenden Bestimmungen des TKG und des TDG abgestellt.
Der Netzbetreiber nimmt in keiner Weise an dem eigentlichen Telefonsex-Gespräch zwischen dem Kunden und dem Dienste-Erbringer teil. Er wird noch nicht einmal als Bote tätig. Auch hat er keinen Einfluss, welcher Teilnehmer zu welchen Zwecken telefoniert. Der Inhalt der geführten Gespräche ist für ihn nicht kontrollierbar und geht ihn grundsätzlich nichts an.
Der BGH differenziert zwischen der reinen technischen Vermittlungstätigkeit auf der einen Seite und der Erbringung der sexuellen Dienstleistung auf der anderen Seite. Dies geschieht anhand der Wertung des TKG und des TDG. Während die reine Vermittlungsleistung nicht in den Anwendungsbereich des TDG fällt, gilt hier für die weitere Dienstleistung § 5 I, III TDG a.F.
Der BGH übersieht auch nicht, dass bei den 0190-Telefonnummern wesentlich höhere Entgelte als bei den sonstigen Gesprächen anfallen. Die Richter weisen aber darauf hin, dass ein höheres Entgelt bei derartigen Telefonnummern immer anfällt, unabhängig davon, welcher Dienst konkret nachgefragt wird. Auch sei bei derartigen Mehrwertdiensten typischerweise eine Mehrzahl von Unternehmen beteiligt (Teilnehmernetzbetreiber, Verbindungsnetzbetreiber, Plattformbetreiber, Dienste-Erbringer).
Wäre man der Ansicht, die Sittenwidrigkeit hänge von der jeweiligen Vergütungshöhe ab, müsste man auf jeder Stufe die Sittenwidrigkeit konkret überprüfen. Eine derartige Verfahrensweise stelle jedoch die Funktionsfähigkeit der Mehrwertdienste grundsätzlich in Frage und sei daher nicht praktikabel.
3. Mithaftung des Ehegatten:
Häufig stellt sich auch die Frage, inwieweit der Ehegatte für die Telefonsex-Gespräche seines Partners rechtlich mit einzustehen hat. Vgl. hierzu allgemein unsere Rubrik "Haftung des Anschluss-Inhabers".
Der BGH (Urt. v. 11. März 2004 - Az.: III ZR 213/03) hat dies abgelehnt. In dem Fall hatte der Ehemann der Beklagten mit der Klägerin, einem Netz-Betreiber, einen Telefondienstvertrag über einen Festnetzanschluß abgeschlossen. In der Folgezeit fielen knapp 3.000,- EUR an Gebühren für Telefonsex-Gespräche des Ehemannes an. Nun nahm der Netz-Betreiber die Ehefrau in die Haftung.
Die entscheidende Norm ist hier § 1357 BGB. Danach ist "jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen". D.h. Verträge, die ein Ehegatte abschließt, binden automatisch auch den anderen. Voraussetzung ist, dass es sich um ein Geschäft handelt, das "der angemessenen Deckung des Lebensbedarfs dient."
Dies verneinen die Richter. Zwar falle der Vertrag über einen Telefonanschluss grundsätzlich unter § 1357 BGB. Insbesondere Dauerschuldverhältnisse wie Miete oder Telefon seien grundsätzlich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beurteilen.
Hier würden jedoch die besonderen Umstände des Einzelfalls eine abweichende Betrachtung begründen:
"Das rechtfertigt aber nicht, Kosten, die diesen Rahmen exorbitant überschreiten und die finanziellen Verhältnisse der Familie sprengen, nur deshalb der angemessenen Deckung des Lebensbedarfs zuzurechnen, weil das Vertragsverhältnis bei seiner Begründung auf eine familiäre Nutzung hinwies.
Eine solche Erwartung kann auch ein Diensteanbieter (...) billigerweise (...) nicht hegen (...)."